Ein Sensor wertet die Gehirnströme des schwerkranken britischen Physikers Stephen Hawking aus. Hawkings Denkprozesse sollen genutzt werden, damit er sich mitteilen kann. Die neue Technik wird am Sonntag in Cambridge vorgestellt.

 

Das Leben von Stephen Hawking ist geprägt von der dauerhaften Suche nach neuen Möglichkeiten, den Kontakt zur Umwelt nicht zu verlieren. Der britische Physiker leidet an der unheilbaren Krankheit ALS, die stetig fortschreitet. Mitte der 1980er Jahre verlor er sein Sprachvermögen.

Erst verständigte er sich mit den Bewegungen seiner Finger, zuletzt konnte der 70-Jährige sich nur noch über einen Sprachcomputer mitteilen, der die Bewegungen seiner Augen und des rechten Wangenmuskels auswertete. Am Sonntag werden Hawking und der amerikanische Neurowissenschaftler Philip Low ein neues Gerät vorstellen: Es kann Hawkings Gehirnströme lesen und diese in eine Art Sprache verwandeln.

Stephen Hawking wird ein schwarzes Stirnband tragen, daran befestigt ein Gerät von der Größe einer Streichholzschachtel. Wie ein von medizinischen Untersuchungen bekanntes EEG zeichnet es seine Gehirnströme auf und sucht nach Veränderungen, die dadurch entstehen, dass Hawking an etwas bestimmtes denkt. Seit November hat der 33-jährige Neurologe von der amerikanischen Stanford-Universität mit dem Physiker trainiert. Weil Hawking sich trotz seiner Krankheit sehr gut im Griff hat, klappte das Experiment.

Low hat die neue Maschine recht schnell entwickelt und sie iBrain genannt, ein Werbetrick und eine Hommage an Apple – der Prototyp untersuchte erst im Jahr 2008 noch den Schlaf von Zebrafinken. Sie kann nicht etwa Hawkings Gedanken lesen, dafür wären die Signale im Gehirn viel zu schwach und überdies zu kompliziert. Aber sie reagiert auf Willensausdrücke, die mehrere Bereiche im Gehirn fordern.

Low sagte in Interviews, es sei vielleicht zynisch, aber Hawking denke beispielsweise daran, seine Finger zu bewegen. Das kann er seit Jahren nicht mehr, aber es beschäftigt sein Gehirn so stark, dass die Veränderung der Gehirnströme messbar wird. Ein solcher Gedanke könnte dann Hawkings Ausdruck für das Wort "Ja" sein. Wenn es genügend solcher Impulse gibt, könnte man sie sogar bis zum Alphabet interpretieren.

Ganz ihrer Natur entsprechend, haben die beiden Wissenschaftler für die Präsentation eine Tagung von Gehirnforschern im englischen Cambridge zur Ehrung von Francis Crick, dem Entdecker der DNA ausgewählt. Nach Abschluss des wissenschaftlichen Programms treten beide auf die Bühne. Sie dokumentieren Erfolge in einem sich rasant entwickelnden Forschungsgebiet.

Denn in Cambridge arbeitet auch der Neurologe Adrian Owen. Er untersuchte die Gehirnaktivitäten von mehr als 54 Wachkoma-Patienten: Bei fünf davon konnte er Reaktionen erkennen. Eine Frau forderte er auf, an Tennis zu denken, wenn sie "Nein" meint und in Gedanken durch ihr Haus zu laufen, wenn sie "Ja" meint. Dann stellte er ihr fünf Fragen, etwa ob ihr Vater Thomas heißt. Vier von fünf Fragen beantwortete die Frau im Wachkoma nach mehreren Minuten Wartezeit richtig, einmal konnte er keine eindeutige Antwort erkennen.