Die Max-Planck-Gesellschaft ist Deutschlands wichtigste Forschungsinstitution. Ihr Präsident Peter Gruss spricht vor der Jahrestagung in Düsseldorf über Frauen in der Wissenschaft, das neue Institut in Mülheim und den Kampf gegen die internationale Konkurrenz.

Von Rainer Kurlemann


Als einzige europäische Institution gehört die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) zur internationalen Spitzengruppe in der Wissenschaft, misst man die Zahl der bedeutenden Veröffentlichungen. Präsident Peter Gruss hat die Forschungsorganisation für Experten aus aller Welt geöffnet. Heute beginnt die nicht öffentliche Jahrestagung der MPG in Düsseldorf.

Warum hat die Max-Planck-Gesellschaft vor kurzem ein neues Institut in Luxemburg gegründet?

Gruss Der Standort ermöglicht eine enge Verknüpfung der Forschung mit dem Europäischen Gerichtshof. Es soll dort um Fragen des europäischen Verfahrensrechts, des Prozessrechtes und – ganz aktuell – um die Regulierung der Finanzmärkte gehen. Wir wollen den Schulterschluss mit dem EuGH, nicht zuletzt um die Praxisrelevanz unserer Ergebnisse zu überprüfen.

Wie funktioniert das?

Gruss Wir sind dankbar, dass das Großherzogtum Luxemburg die Kosten für Bau und Betrieb des Instituts übernimmt. Wir gründen nur in begründeten Ausnahmefällen Institute im Ausland und nur, wenn das Sitzland den überwiegenden Anteil der Struktur finanziert.

Ein Drittel Ihrer ranghöchsten Wissenschaftler, der Direktoren, stammt mittlerweile aus dem Ausland.

Gruss Ja, das stimmt. Bei den Doktoranden sind es sogar etwa die Hälfte, bei den Postdocs haben über neunzig Prozent einen ausländischen Pass. Diese Internationalisierung, die Besten aus aller Welt für unsere Institute zu gewinnen, ist nötig, wenn man Spitzenforschung abliefern will.

Wie deutsch ist die Max-Planck-Gesellschaft noch?

Gruss Von unseren 80 Instituten befinden sich fünf im Ausland, und wir haben nicht die Absicht, daran in Zukunft viel zu ändern. Vereinssitz ist Berlin. Die zentrale Verwaltung arbeitet in München. Die Max-Planck-Gesellschaft ist damit eine deutsche Forschungsorganisation, die von jeher engste Kontakte zu den weltweit besten Wissenschaftlern pflegte. Nur so lassen sich globale Probleme erfolgreich lösen.

Ist Europas Forschung stark genug gegen die internationale Konkurrenz?

Gruss Wir tun sehr viel dazu, Europa als einheitlichen Forschungsraum weiter zu entwickeln. Und da gibt es noch einiges zu tun. Derzeit haben wir eine Zweiteilung: vorn liegen Deutschland, England und die skandinavischen Länder. In den südlichen Ländern und in Osteuropa ist die Leistungsspitze in der Forschung oft noch sehr schmal. Es ist in unserem strategischen Interesse, dieses Potenzial zu heben. Das tun wir verstärkt mit Kooperationen.

Das klingt wenig nach Wissenschaft, mehr wie aus dem Mund eines Wirtschaftsmanagers.

Gruss Da gibt es viele Parallelen. Eine gute Forschungslandschaft sorgt heute für höhere Steuereinnahmen. Und Geld spielt natürlich eine Rolle. Es wäre in Deutschland ein grober Fehler, wenn wir das kleine Pflänzchen, das durch die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation entstehen konnte, jetzt wieder zerstören würden.

Pflänzchen? Ist das nicht eher schon eine Pflanze?

Gruss Nein, ein Pflänzchen. Ich warne vor der Geisteshaltung, Deutschland habe jetzt erst einmal genug in seine Universitäten und Forschungsinstitutionen investiert. Es war eine richtige und wichtige Entscheidung der Bundesregierung, mehr Geld in Bildung und Forschung zu stecken. Aber die bisherigen Programme haben uns einen Schub gegeben, nicht mehr. Wenn wir international dauerhaft konkurrenzfähig sein wollen, darf die entstandene Dynamik nach 2015 nicht abgebremst werden.

Gruss Das ist ohne Zweifel richtig. Wir müssen aber gleichzeitig unsere Klimaziele im Auge behalten. Wenn wir akzeptieren, dass die Atmosphärentemperatur nicht um mehr als zwei Grad steigt darf, müssen wir konsequent die Energieformen fördern, die kein Kohlendioxid emittieren. Ich will aber nicht zurück zur Atomkraft.

Auch eine Aufgabe für die Max-Planck-Gesellschaft?

Gruss Aber sicher. Wir forschen an über einem Dutzend unserer Institute im Bereich der Energie. In Mülheim a.d. Ruhr bauen wir das Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion auf, neben dem bestehenden Institut für Kohlenforschung. Es geht darum, wie wir elektrische Energie sinnvoll speichern können, beispielsweise durch die Erzeugung von Wasserstoff oder Methanol. Im Labormaßstab funktioniert das schon, aber auf industrieller Ebene noch nicht.

Ist das der entscheidende Punkt für das Gelingen der Energiewende?

Gruss Nicht nur. Wir haben bisher die Rechnung ohne den Wirt gemacht, ohne den Verbraucher. Wir müssen die Bevölkerung mit den wahren Kosten der Energiewende konfrontieren. Was uns fehlt, ist eine wissenschaftlich fundierte Aufstellung über die entstehenden Kosten, sowohl für die Gesellschaft als auch für den einzelnen Verbraucher. Es gebietet die Fairness, dass wir das den Menschen endlich mitteilen, was nicht heißt, dass wir die Energiewende rückgängig machen.

Die Perspektiven für Frauen in der Wissenschaft sind so schlecht wie in der Wirtschaft. Die Top-Positionen besetzen die Männer.

Gruss Das stimmt, auch, wenn die Max-Planck-Gesellschaft von den großen deutschen Forschungsinstitutionen noch am besten dasteht. Wir müssen aber selbstkritisch feststellen, dass wir bei den Direktoren zu wenig Frauen haben. Wir werden den Frauenanteil deshalb künftig in jedem Jahr um einen Prozentpunkt erhöhen. Das mag zunächst wenig klingen. Tatsächlich haben wir uns aber verpflichtet, von den 70 Direktorenposten, die in den nächsten vier bis fünf Jahren besetzt werden, mindestens 20 an Frauen zu vergeben. Eine Ebene darunter sollen etwa 45 Prozent der neu zu besetzenden Stellen an Frauen gehen.

Die Max-Planck-Gesellschaft hat sich eine Frauenquote erlassen?

Gruss Nein, das lehne ich ab. Das wichtigste Kriterium für die Stellenbesetzung bleibt die fachliche Qualifikation. Wenn wir nicht an unserem Exzellenz-Anspruch festhalten, wird es die Max-Planck-Gesellschaft bald nicht mehr geben. Aber wir haben intern einen hohen Druck aufgebaut, dass Berufungskommissionen den Markt nach qualifizierten Frauen sehr genau durchsuchen.

Ist das so schwierig?

Gruss Selbst in den USA, wo Frauen in der Spitzenforschung schon länger deutlich besser gefördert werden als in Deutschland, liegt die Frauenquote in den Top-Positionen trotz aller Anstrengungen nur bei etwa 30 Prozent. Offenbar ist die Lebensplanung von Frauen anders.