Die Firma Planet Labs will mit 28 Weltraumkameras scharfe Bilder von der ganzen Erdoberfläche liefern und diese mindestens einmal pro Woche aktualisieren. Google Earth wird da ganz schön alt aussehen.

 

Von Rainer Kurlemann

 

 

In diesen Tagen beginnen die Astronauten auf der "Internationalen Raumstation" (ISS) mit einem besonderen Arbeitseinsatz. Sie setzen 28 kleine Satelliten aus: das technische Rüstzeug für den möglichen Nachfolger von Google Earth.

Die Mikro-Satelliten sind auf das Notwendigste beschränkt. Sie können nicht viel mehr als fotografieren und die Daten versenden. Eine HD-Kamera mit Solarzellen und Funkantenne.

Dennoch besitzen sie das Potenzial, Google Earth abzulösen. Denn die Weltraumkameras sollen ab Ende dieses Jahres regelmäßig Fotos liefern.

Mehrmals täglich neue Luftbilder

Von manchen Regionen wird es dann mehrmals täglich neue Luftbilder geben, die übrigen sollen wenigstens einmal pro Woche aktualisiert werden. Die Bilder bei Google Earth sind dagegen häufig schon mehrere Jahre alt und werden nur selten erneuert.

Der Initiator dieses Satellitenschwarms ist eine private Firma: Planet Labs in San Francisco, gegründet vor vier Jahren von drei Technikfreaks, die früher bei der US-Weltraumagentur Nasa gearbeitet haben.

Die Ingenieure haben sich Mobilfunk und Handytechnik zum Vorbild genommen und alle Bauteile miniaturisiert. Ihre Mikrosatelliten erinnern mit ihrer zylinderischen Form an Rollen, in denen Poster transportiert werden, und wiegen nur noch fünf Kilo.

Menschen lassen sich nicht identifizieren

Das senkt die Kosten für den Transport ins Weltall. Herkömmliche Beobachtungssatelliten wiegen etwa zwei Tonnen.

In der ersten Generation wird die Auflösung der Kameras vermutlich etwa drei Meter pro Pixel erreichen. Genaue technische Details liefert das Start-up-Unternehmen nicht, auch über den Preis der Weltraumkameras schweigt man sich aus.

Google verfügt für Europa und viele Bundesstaaten der USA über Bilder mit mehr Details, weil das Unternehmen Fotos aufkauft, die mit Kameras an Flugzeugen gemacht werden.

Die Vision sind Echtzeit-Bilder der ganzen Erde

Doch für andere Regionen der Erde liefern die Mikrosatelliten eine bessere Qualität. Mit dieser Auflösung ließen sich Baumkronen zählen, illegale Fischerboote auffinden oder die Verteilung von Autos ermitteln, sagt Will Marshall, CEO von Planet Labs, Menschen könnten aber nicht erkannt werden.

Die Vision der Firma klingt edel: Die Echtzeitbilder der Erde sollen "den Menschen ermöglichen, den Planeten besser zu verstehen" und "Regierungen zum Handeln anspornen".

Die Anwendungsbeispiele auf der Webseite der Firma haben humanitären und ökologischen Hintergrund: Gut aufgelöste Luftbilder in Echtzeit könnten die Bewältigung von Naturkatastrophen oder Waldbränden verbessern, die Rodung der Wälder dokumentieren oder Informationen für regionale Verkehrsprojekte liefern.

Tausende Anwendungsmöglichkeiten

"Die Daten helfen der Industrie und den Behörden, bessere Entscheidungen zu treffen", sagt Will Marshall, "es gibt Tausende Anwendungsmöglichkeiten." Der Satellitenschwarm erreichte die "Internationale Raumstation" am 9. Januar mit der Antares-Rakete der Orbital Science Corp. – eine von zwei Privatfirmen, die mittlerweile die Versorgung der ISS übernommen haben.

Wie sich die Finanzierung der Raumfahrt verändert, zeigt die Tatsache, dass die Crew der ISS mittlerweile auch private Aufträge ausführt. Sie wird die Mikro-Satelliten im Februar mit dem Roboterarm durch die Druckluke im japanischen ISS-Modul "Kibo" freisetzen, die einst dafür konstruiert wurde, wissenschaftliche Experimente aus dem Weltall zu bergen oder an der Plattform anzubringen.

Die Umlaufbahn der 28 Kameras in etwa 400 Kilometer Höhe entspricht der Bahn der ISS. Sie werden deshalb nicht die komplette Erde fotografieren können, aber schon einen wesentlichen Teil. Für die Polarregion hat Planet Labs bereits im November zwei zusätzliche Satelliten ins All schießen lassen.

Die Konkurrenz schläft nicht

Selbst auf der ISS ist der Konkurrenzkampf um die besten Fotos aus dem Weltall bereits angekommen. In der vergangenen Woche montierten die russischen Crew-Mitglieder bei einem Außeneinsatz Videokameras des kanadischen Start-ups UrtheCast, die ab August 2014 täglich 150 hoch aufgelöste Videoclips von 90 Sekunden Länge liefern sollen. Der erste Versuch mit den Geräten scheiterte im Dezember allerdings an technischen Problemen.

Der größte Konkurrent von Planet Labs hängt bei der Umsetzung seiner Pläne noch zurück. Es ist das Start-up-Unternehmen Skybox Imaging, dessen 100-Kilo-Satelliten mit einer Auflösung von einem Meter pro Pixel noch schärfere Bilder liefern sollen.

Aber erst 2015 können die Kalifornier eine nennenswerte Anzahl an fotografierenden Satelliten ins All starten – und die komplette Flotte mit 24 Geräten für Echtzeitbilder der Erde wird wohl noch nicht vor dem Jahr 2017 bereitstehen.

Sind Mikrosatelliten ein Angriff auf die Privatsphäre?

Spätestens dann wird sich wohl eine Diskussion entwickeln, ob sich hinter den Mikrosatelliten nicht doch ein Angriff auf die Privatsphäre verbirgt. Kritiker haben den permanent fotografierenden Weltraumkameras schon einen anderen Namen gegeben: Paparazzi-Satelliten.

Nikolaus Forgó, Professor am Institut für Rechtsinformatik der Universität Hannover, bewertet die Fotos der Satelliten vom Prinzip her sogar als intensiveren Eingriff in die Privatsphäre als die umstrittenen Bilder von Google Street View, weil sie nicht schräg von vorn auf einer öffentlich zugänglichen Straße, sondern von oben fotografiert werden.

Forgó sieht aber keine rechtliche Grundlage, dass Bürger sich gegen die Veröffentlichung der Bilder wehren oder gar eine Verpixelung erzwingen können. "Das nationale Recht auf Datenschutz ist in diesem Fall vermutlich nicht anwendbar", sagt Forgó.

Auflösung von sechs Zentimeter pro Pixel

"Es kommt darauf an, ob personenbezogene Daten im Inland erhoben oder verarbeitet werden. Das ist bei Aufnahmen aus dem All, die durch ein amerikanisches Unternehmen gemacht werden, wohl in der Regel zu verneinen", erklärt der Jurist Forgó.

Schon heute ist es üblich, dass die Bürger aus der Luft beobachtet werden. Städte, Gemeinden und Kommunalverbände lassen zu Planungszwecken regelmäßig ihre Region aus dem Flugzeug fotografieren.

Die Bilder erreichen eine Auflösung von sechs Zentimetern pro Pixel – genug, um den Standort von Straßenschildern oder Laternen präzise bestimmen zu können.

Noch liefern Flugzeugkameras eine bessere Auflösung

Doch diese detaillierten Aufnahmen werden nur selten aktualisiert – und schon gar nicht täglich. Die Ruhrgebietsstädte schicken die teuren Flugzeuge alle sechs bis acht Jahre in die Luft.

Regelmäßig gibt es dann in den Ämtern eine Diskussion, ob die Bilder im Winter gemacht werden sollen, wenn kein Laub den Boden verdeckt, oder im Sommer, wenn sich Grünflächen besser bewerten lassen.

Wer die Daten von Planet Labs benutzt, kann beides haben, wenn auch noch nicht in der Qualität der Flugzeugkameras.

Die Bilder aus dem All sollen allen zur Verfügung stehen

Planet Labs gibt sich nach außen als Verfechter einer Open-Access-Strategie. Es sei der beste Weg, die Daten für jedermann verfügbar zu machen.

"Die Kreativität der Nutzer und Entwickler wird viele neue Anwendungen bringen, die wir uns derzeit noch nicht vorstellen können", sagt CEO Will Marshall.

Diese Formulierung lässt allerdings offen, worin genau das Geschäftsmodell der Firma besteht und ob die Weitergabe der Daten tatsächlich kostenfrei sein wird. Wohl kaum.

Das Geschäftsmodell ist noch nicht transparent

Hoch aufgelöste Satellitenbilder sind derzeit teuer, Planet Labs will diesen Markt mit einem günstigeren Produkt erschließen. Man werde sicherstellen, dass die Daten sowohl für humanitäre als auch für kommerzielle Zwecke zur Verfügung stünden, sagt Will Marshall.

Der soziale Aspekt sei den Firmengründern wichtig. Mehr Informationen über das Geschäftsmodell wollen die Kalifornier erst später in diesem Jahr bekannt geben. Vielleicht warten sie auch nur darauf, dass Google, Microsoft oder Apple Interesse an Planet Labs und seiner Technologie zeigen.